Echte Nachhaltigkeit – warum gerade das Vergaberecht aus der Zeitgeist-Phrase einen wahren Wert schafft

„Es muss nachhaltig sein“ – kaum eine Phrase wird so häufig genutzt, kaum ein Begriff wird so häufig strapaziert wie „Nachhaltigkeit“. Alles muss, soll, kann „nachhaltig“ sein. Das Projekt, das Haus, die neue Jeans, die veganen Sneaker und das Essen sowieso. Nachhaltigkeit verkommt mehr und mehr zum Zeitgeist. Es droht zur leeren Phrase und zu einer echten Mogelpackung zu werden. Dazu kreieren wir noch das eine oder andere Zertifikat, weil wenn es zertifiziert ist, dann darf man es mit gutem Gewissen kaufen. Doch „nachhaltig“ ist nicht so einfach wie „bio“ – das klare Kriterien hat. Nachhaltigkeit ist wesentlich komplexer und umfasst mehr Dimensionen als ein gewisses Umweltbewusstsein. Und ich möchte hier ganz bewusst nicht eine Nachhaltigkeitsdiskussion am Beispiel E-Auto starten … 

Nachhaltigkeit wird also lauthals an allen Ecken gefordert und betrifft nahezu jede Branche. Die Bedeutung von Nachhaltigkeit hat sich aber auch während der Pandemie stark gewandelt. Auch wenn vielfach mit nachhaltig der CO2-Fußabdruck gemeint ist, ist in Post-Pandemie-Zeiten die Finanzierbarkeit Teil der Nachhaltigkeit. Denn wenn man sich aufgrund von fehlender Liquidität etwas nicht leisten kann, wird das Investment, die Innovation oder das Projekt kaum nachhaltig – im wahrsten Sinne des Wortes – sein. 

Das Vergaberecht kann in der fordernden Situation zum Wegbereiter der Nachhaltigkeit werden. In einem Vergabeverfahren werden die (Vergabe-)Kriterien definiert. Diese Definition kann eben echte Nachhaltigkeit schaffen oder gewährleisten. Was es dazu braucht? Viel Branchenexpertise und Weitblick, denn die Kriterien müssen bei jedem Projekt neu definiert und kritisch hinterfragt werden. Ein nachhaltiges Rechenzentrum muss andere Eigenschaften haben und Anforderungen erfüllen als eine Photovoltaik-Anlage oder eine Werbekampagne. Wenn man heute ein Gebäude errichtet, muss man sich die Frage stellen: Wie muss es gestaltet sein, damit es in 30 Jahren noch Wert hat und verkauft werden kann? Um echte, wahre und wirkliche Nachhaltigkeit zu ermöglichen und zu schaffen, braucht es vor allem eines: Mut. Denn nur mit radikalen Ideen und harten Kriterien werden wir aus der Zeitgeist-Phrase einen wahren Wert schaffen – langfristig … oder eben nachhaltig …

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Extrem wichtig und unglaublich spannend – warum das Vergaberecht der „Gamechanger“ der Corona-Krise ist oder wäre.

Vergabe bestimmt unsere Medien und unseren Alltag seit rund zehn Monaten. Es startete mit der Diskussion um die Schutzausrüstungen für die Ärzte – wo waren diese so schnell herzubekommen? Es folgte eine unendliche Zahl an Berichten zu den FFP2-Masken – woher kommen sie, was können sie, was kosten sie? Massentests wurden angekündigt – doch wo wurden die Kits bestellt, was wurde dafür gezahlt? Und nicht zuletzt ist die Impfstoff-Beschaffung der Europäischen Union heute jenes Thema, das uns alle beschäftigt. 

Zu Anfang gab es viele Ausreden für das nicht perfekte Funktionieren der Beschaffung. Das war auch irgendwie legitim, denn die Krise hat keiner vorausgesehen und hat uns alle überraschend getroffen. Zum einen gibt es für solche Situationen Lösungen, aber was nicht zu verstehen ist: Warum funktioniert es noch immer nicht? Nach zehn Monaten! Wir haben eine neue Normalität, Abnormalität, und für alle Einkäufer und Beschaffer gab es genug Zeit, sich darauf vorzubereiten, sich dafür einzurichten. Denn egal ob Krise, „Normalität“ oder „Abnormalität“, eine professionelle Vergabe, ein perfekter Einkauf funktioniert immer gleich – auch wenn sich die Zeiten und Gegebenheiten ändern, die Prinzipien bleiben. Ein guter Einkäufer muss innovativ sein, das Geschäft seines Anbieters kennen, vorausschauend planen, nahe an den Entscheidungsträgern sein und natürlich über Verhandlungsgeschick verfügen. Der Einkauf ist eine hoch spezialisierte Einheit, die ganz oben angesiedelt sein muss. Vergabe ist strategisch. Es werden strategische Entscheidungen getroffen, die den Unterschied machen. Der Unterschied ist, ob unsere Ärzte ausreichend geschützt sind, ob wir für Massentests genügend Kits haben, ob wir den vulnerablen Gruppen die richtigen FFP2-Masken zur Verfügung stellen, deren Zertifizierung man trauen kann. Und mit einem perfekten Vergabeprozess kann man dafür sorgen, dass die Bevölkerung so rasch wie möglich eine entsprechende Durchimpfungsrate erreicht. Zudem könnte man mit professioneller Beschaffung Werte wie Regionalität und Nachhaltigkeit aktiv voranbringen. Eine perfekte Vergabe hätte die Kraft und die Möglichkeit, Sicherheit und Freiheit während der Pandemie zu geben und sie schlussendlich früher zu besiegen. Nur schade, dass ich das alles im Konjunktiv schreiben muss, denn die Pandemie hat uns vor Augen geführt, was passiert, wenn Beschaffung nicht professionell aufgesetzt ist und nicht perfekt funktioniert 

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